Dritte Goldmedaille für Debrunner
Nach den Triumphen über 5000 und 800 m sichert sich die Rollstuhl-Leichtathletin Catherine Debrunner an den Paralympics in Paris auch über 1500 m die Goldmedaille.
Catherine Debrunner zeichnete in Paris für eine Premiere verantwortlich. Noch nie gelang es einer Schweizerin an einer Paralympics dreimal zu triumphieren. Insgesamt war es für die 29-jährige Thurgauerin die vierte Goldmedaille an der wichtigsten Veranstaltung im Behindertensport - vor drei Jahren in Tokio siegte sie über 400 m.
Erfolgreichste Schweizerin an Paralympics ist Elisabeth Bisquolm, die zwischen 1976 und 1988 in der Leichtathletik und im Tischtennis sechsmal das oberste Podest bestiegen hat. Die Nummer 2 ist nun Debrunner, die in Paris als Favoritin auch noch über 100 m, 400 m sowie im Marathon antritt.
Debrunner war auch über 1500 m eine Klasse für sich. Die Weltrekordhalterin und Weltmeisterin in dieser Disziplin, die an den letztjährigen Laureus Awards als «Sportsperson of the Year with a Disability» ausgezeichnet worden ist, kontrollierte das Rennen von der Spitze aus. Auf der letzten Runde liess sie ihren Gegnerinnen dann keine Chance. Mit dem paralympischen Rekord von 3:13,10 Minuten distanzierte Debrunner die Britin Samantha Kinghorn um 2,91 Sekunden. Bronze holte die Amerikanerin Susannah Sciaroni.
«Das Rennen lief ziemlich überraschend für mich», sagte Debrunner im Interview mit dem Schweizer Fernsehen. «Ich dachte nicht, dass ich immer vorne bin. Das war nicht das Ziel. Die anderen hielten sich aber zurück und dann änderte ich die Taktik. Es war ein spezielles Rennen.»
Die 34-jährige Zürcherin Patricia Eachus wurde wie schon über 5000 m undankbare Vierte. Pech hatte Manuela Schär, die am Sonntag über 800 m in der Kategorie T54 (Debrunner startete in der Kategorie T53) triumphiert hatte. Die 39-jährige Luzernerin kollidierte kurz nach dem Beginn der letzten Runde mit der Chinesin Zhou Zhaoqian und stürzte. Damit war der Traum von einer zweiten Medaille in Paris ausgeträumt. «Ich weiss nicht genau, was passiert ist», sagte Schär.
Zweite Silbermedaille für Hug in Paris
Marcel Hug gewann an den Paralympics über 1500 m die Silbermedaille. Es ist dies die neunte Medaille für die Schweizer Delegation in Paris.
Das Palmarès des 38-jährigen Ostschweizers zieren nunmehr 14 paralympische Medaillen, sechs davon in Gold. Am Wochenende holte er bereits über 5000 m Silber.
Hug, der in Tokio viermal Gold in den Distanzen zwischen 800 m bis Marathon geholt hatte, sprach letztlich von einer gewonnenen Silbermedaille. Der Sieger Jin Hua aus China zog in der Schlussrunde von der Spitze aus derart vehement an, dass Hug selbst im Windschatten nicht folgen konnte. Zudem drohte ihm während des Rennens die Gefahr, von den drei Chinesen auf der Innenbahn eingeschlossen zu werden. Doch Hug machte alles richtig und wartet geduldig auf den Moment, um sich zu befreien.
Der Schweizer bestreitet in Paris seine sechsten Paralympics.
Auf dem Nachttisch glänzt es immer mehr
von Simon Scheidegger (Keystone-SDA), Paris
Catherine Debrunner gewinnt als erste Schweizerin dreimal Gold bei denselben Paralympics. Die Thurgauerin erlebt in Paris historische Spiele. Aber der Sturz von Teamkollegin Manuela Schär trübt ihre Freude.
Als Catherine Debrunner im Gang zu den Katakomben des Stade de France steht, könnte sie sich uneingeschränkt freuen. Schliesslich hat sie über 1500 m wieder Gold geholt, wie schon über 5000 m und 800 m. Wieder mit paralympischem Rekord.
Aber als die Mikrofone auf sie gerichtet sind, gibt es etwas, das sie von «gemischten Gefühlen» sprechen lässt. Denn in diesem Regenrennen auf der rutschigen Bahn gab es auch den Sturz ihrer Teamkollegin Manuela Schär, die just zu Beginn der letzten Runde mit der Chinesin Zhou Zhaoqian kollidierte. «Ich erlebe gerade ein Chaos der Gefühle», sagt die Thurgauerin.
Schär selber wählt ähnliche Worte, nachdem sie nach der Goldmedaille über 800 m, die für sie eine grosse Befreiung gewesen sei, eine neuerliche Enttäuschung zu verdauen hat. Sie spricht von einem «ärgerlichen und unnötigen Fehler». Sie habe der Chinesin zu wenig Platz gelassen, und weil sie dann nicht gleichzeitig den Regulator ihres Vorderrades betätigt hätten, sei es zum Zusammenstoss gekommen.
Die 39-jährige Luzernerin, die in Paris ihre letzten Bahnrennen absolviert, wirkt erstaunlich ruhig und gefasst. Und sie verliert auch nach derartigen Vorkommnissen den Humor nicht, wenn sie mit einem Lachen Glückwünsche Richtung Teamkollegin schickt. «Mega cool, hat Catherine gewonnen. Ich hatte da leider gerade andere Probleme.»
Viel schlafen, viel gewinnen
Debrunner hätte sich den Verlauf des Rennens zwar anders vorgestellt und «überhaupt nicht» damit gerechnet, die ganze Zeit vorne zu bleiben. Als sie dann aber gemerkt habe, dass niemand nach vorne gehen und Führungsarbeit machen wolle, habe sie ihre Taktik angepasst und das Rennen von der Spitze aus kontrolliert. «Ich bin überglücklich und auch stolz, dass es aufgegangen ist», sagt Debrunner, der gar nicht bewusst ist, Historisches geschafft zu haben. Sie ist nämlich die erste Schweizer Frau, die an denselben Paralympics drei Goldmedaillen gewinnt. «Ich bin nicht so gut mit Statistiken, aber es ehrt mich natürlich extrem. In der Schweiz gab es so viele gute Rollstuhlsportlerinnen. Dass ich etwas als Erste erreichen kann, ist eine riesige Ehre für mich.»
Doch wie schafft es die 29-Jährige, trotz des strengen Programms jeden Tag nicht nur wieder bereit zu sein, sondern auch gleich Rekorde zu brechen? Sie nehme sich bewusst zurück in allem, was nicht ihren Sport betreffe, sagt Debrunner. Sie gebe nur wenige Interviews, fokussiere sich nach ihren Pflichten im Stade de France auf die Erholung, schlafe viel. «Ich habe die Goldmedaillen auf meinem Nachttisch. Vielleicht schlafe ich deshalb so gut», sagt sie und lacht.
Umstellung auf Kurzstrecken
Am Mittwoch macht Catherine Debrunner mit dem Rennen über 100 m einen Abstecher in die Kurzstrecken. An der WM im letzten Jahr gab es über diese Distanz Silber für die Ostschweizerin. «Es ist schon eine Umstellung von taktischen Rennen auf Sprintrennen», sagt Debrunner. «Aber ich habe ja etwas Zeit, mich vorzubereiten.»
Danach stehen noch die 400 m und zum Abschluss der Marathon im Programm. Siegchancen hat Debrunner überall. Hoffentlich ist der Nachttisch gross genug.