Der junge Mann mag Ziele. Vor dem Unfall macht der heute 25-Jährige eine Lehre zum Polymechaniker. Er wird Schweizermeister in seinem Beruf, reist an die Weltmeisterschaft und holt sich den Vize-Weltmeistertitel. «Nach der Weltmeisterschaft habe ich ein neues Ziel gebraucht.» Er absolviert die Berufsmatur und beginnt das Studium der Maschinentechnik. Dann passiert der Unfall. Eine komplette Tetraplegie ist die Folge.
Marco Michel verbringt mehrere Monate im Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) in Nottwil. Bereits in der zweiten Hälfte der Reha habe er wieder an seine beruflichen Möglichkeiten gedacht. Er hat gelernt, wie er trotz Einschränkungen den Computer bedienen kann. Schon während der Reha lernte er Personen mit ähnlichen Einschränkungen kennen, die im Ingenieurwesen arbeiten. Eine Operation an den Händen soll ihm weitere Handfunktionen zurückgeben.
Durchblick im Versicherungswesen
Während seines zweiten Klinikaufenthalts findet ein Übergabegespräch statt, an dem die Sozialberatung der Klinik sein Dossier an die Lebensberatung der SPV abgibt. Im Fall von Marco Michel ist dies Sozialarbeiterin Silvia Affentranger. Zu klären gab es zunächst vor allem administrative Angelegenheiten.
Zurück in die Vorlesung
Seine beruflichen Perspektiven erarbeitet der gelernte Polymechaniker mit seinem Jobcoach Nicolas Egger. Nachdem er sich von der Hand-OP erholt hat, beginnt er im Juni 2022 mit einer Integrationsmassnahme bei ParaWork. Es geht darum herauszufinden, wie belastbar er ist. Er möchte sein Studium wieder aufnehmen, doch was ist möglich? Marco Michel, Jobcoach Nicolas Egger und eine Ergotherapeutin schauen sich auf dem Campusgelände in Horw an, wie der Rollstuhlfahrer ins Gebäude kommt, wo die Parkplätze und die Toiletten sind. Nicolas Egger trifft Abklärungen mit der Hochschule Luzern.
«Diese Unterstützung durch ParaWork ist sehr wertvoll», betont Marco Michel. Gemeinsam entscheiden die beiden, dass Marco Michel im September sein Studium wieder aufnimmt. Testweise an zwei Nachmittagen pro Woche.
Bedingt hindernisfrei
Die Hochschule muss ihre Infrastruktur barrierefrei zugänglich machen. Da der Standort Horw jedoch in den kommenden Jahren umfassend renoviert werden soll, beschränken sich die baulichen Anpassungen auf das Notwendigste.
Zurück im Vorlesungssaal ist der Student darauf angewiesen, Lösungen zu finden. Weil er nicht so schnell schreiben kann, bekommt er eine Kopie der Notizen eines Mitstudenten. Die Prüfungen diktiert er einem Dozenten. «Bei praktischen Modulen mache ich die Arbeiten, die ich kann.» Damit Marco Michels Leistungen gleichwertig anerkannt werden, trifft Coach Nicolas Egger im Hintergrund die nötigen Vereinbarungen mit der Hochschule.
Das nächste Semester möchte Marco Michel an fünf Tagen studieren. Die Integrationsmassnahme der ParaWork endet damit. Sein Coach begleitet ihn aber weiterhin. Sein Fernziel: eine Anstellung als Ingenieur. Maschinentechniker seien gefragt. Lediglich an verfügbaren Teilzeitstellen hapere es noch. Und das zweite Ziel: selbständig wohnen. Damit er hier Unterstützung erhält, hat er mit Silvia Affentranger bereits die Selbstdeklaration für einen Assistenzbeitrag ausgefüllt. «Ich kann vieles selbst, es dauert einfach länger. Allein schaffe ich es nicht, einen Haushalt zu führen.» Der junge Mann mag Ziele.