Als Roland Fässler hört, dass Philipp Kutter verunglückt ist, schickt er ihm eine Karte. Der heute 55-Jährige schreibt aufmunternde Worte und davon, ihn bald im Schweizer Paraplegiker-Zentrum besuchen zu wollen. Kaum ist die Post bei Philipp Kutter angekommen, trifft es Roland Fässler selber schwer. Nach dem Unfall in Elm wird er im Universitätsspital Zürich operiert, bevor die lange Reha-Zeit in Nottwil anbricht.
Bereits im Frühling 2023 wird das Wohnen thematisiert und für Ende April ein Abklärungstermin festgelegt für eine Besichtigung des Hauses. Verbunden damit sind gängige Fragen: Kann er im Rollstuhl weiterhin darin leben? Welche baulichen Massnahmen müssen getroffen werden?
Für Roland Fässler ist von allem Anfang an klar: Er will alle Möglichkeiten ausschöpfen, um auch in Zukunft da leben zu können, wo er seine Jugend verbracht hat, wo seine 91-jährige Mutter immer noch eigenständig wohnt, wo er sich mit seiner Frau Maya und den drei Kindern Aline, Sven und Janic ein gemütliches Nest eingerichtet hat.
Treppenlift? Keine Chance
Das Projekt erweist sich wie erwartet als höchst anspruchsvoll und aufwendig. In diesem mehrstöckigen Haus mit Baujahr 1880 lassen die Platzverhältnisse den Einbau eines Treppenlifts nicht zu. Ein Deckenlift ist ebenso ausgeschlossen. Roland Fässler, ein gelernter Elektromonteur und inzwischen im Bereich der Gebäudeautomation tätig, studiert im Bett in Nottwil an Optionen herum. Und findet die passende. Mit einem Vertikallift auf der Rückseite des Hauses würden sich alle Stockwerke erschliessen lassen.
Vom Zentrum für hindernisfreies Bauen der SPV übernimmt Marcel Strasser die Planung für den Umbau und trägt als Bauleiter die Verantwortung. «Nur mit einem solchen Lift besteht die Möglichkeit, dass Roland Fässler weiterhin in diesem Haus leben kann», sagt der Architekt.
Kaum ist die Idee geboren, geht es zügig voran. Marcel Strasser stellt ein Gesuch an die IV und gelangt für die Vorfinanzierung an die Schweizer Paraplegiker-Stiftung. Der Vertikallift ist der grosse Brocken des Umbaus, zehn Meter hoch und gläsern, was auch optisch eine gute Falle macht. Fünf verschiedene Ebenen des Hauses können für Roland Fässler so zugänglich gemacht werden.
Eine der grossen Herausforderungen besteht darin, im obersten Geschoss eine Lukarne zu realisieren. Das Dach muss angehoben werden, damit diese Ebene mit dem Lift überhaupt erreicht werden kann. Und um von aussen zum Lift zu kommen, muss via Garten der Zugang mittels Platten verbreitert werden. Die Planung bereitet Marcel Strasser einiges Kopfzerbrechen. «Ich habe gelegentlich geschwitzt», sagt er mit einem Schmunzeln, «aber am Ende ging es glücklicherweise perfekt auf.»
Automation ist Fässlers Fachgebiet
Neben dem Lift sind weitere Anpassungen notwendig, vor allem im Badezimmer. Die Badewanne wird herausgerissen und durch eine barrierefreie Dusche ersetzt. Hinzu kommen ein unterfahrbares Waschbecken und eine breitere Türe. Und im Haus wird alles, was technisch machbar ist, automatisiert, damit Roland Fässler vieles über sein Handy ansteuern kann, vom Lift übers Licht bis zu den Türen. Geht es um Automationsfragen, ist der geeignete Ansprechpartner nicht fern. Architekt Marcel Strasser fachsimpelt mit dem Hausherrn auf Augenhöhe.
Die Arbeiten in Wädenswil starten Anfang November 2023 im Innern. Das neue Badezimmer ist an Weihnachten bezugsbereit. Ab Anfang 2024 wird aus dem Haus eine grössere Baustelle, weil es nun darum geht, den Vertikallift anzubringen. Das erfordert viel Zeit. Und in dieser Phase kann Roland Fässler, der inzwischen die Reha in Nottwil beendet hat, noch nicht bei seiner Familie wohnen. Temporär kommt er bei seinem Schwager in Schönenberg ZH unter. Und wenn er in Wädenswil zu Besuch ist, hieven ihn drei Leute im Rollstuhl über mehrere Stufen ins Haus. Im Frühling 2024 kann Roland Fässler wieder einziehen.
Roland Fässler arbeitet inzwischen wieder in einem Teilpensum als Senior Projektleiter. Tätig ist er vorwiegend im Homeoffice, das heisst in seinem Büro, das sich in der obersten Etage gleich neben der Lifttür befindet. Oberhalb des Schreibtischs sind im Zuge der Umbauten Fenster angebracht worden, die für Licht in der Ecke sorgen.
Der Ur-Wädenswiler strahlt Zufriedenheit aus, was viel damit zu tun hat, dass er wieder in der gewohnten Umgebung leben kann. «Der Vertikallift ist mein Schlüssel. Hätten wir ihn nicht …». Maya Fässler sitzt neben ihm, lächelt und sagt: «Wir waren immer überzeugt, dass es gut kommt.»
(von Peter Birrer, Paracontact 4/2024)