Leistungen von Invalidenversicherungs- und Unfallversicherungsrenten werden periodisch überprüft und eventuell neu festgesetzt. Wo liegen die Grenzen einer Rentenrevision? Ein Beispiel.
Ein Motorradunfall macht Jan W. (Name geändert) 2009 zum Paraplegiker. Die Staatsanwaltschaft stellt eine Strafuntersuchung gegen Jan W. wegen starker Betroffenheit ein. Aber die Unfallversicherung (UVG) kürzt den Taggeldanspruch während der ersten zwei Jahre um 20 Prozent. Die Begründung: Jan W. habe grobfahrlässig gehandelt. Jan W. akzeptiert diese Kürzung.
IV spricht ihm eine ganze Rente zu
Nach der Primärrehabilitation in Nottwil lässt er sich umschulen. Bei einem Invaliditätsgrad von 41 Prozent erhält er von IV ab 2013 eine Viertelsrente, dazu eine von der UVG. Als sich sein Gesundheitszustand verschlechtert, spricht ihm die IV bei einem IV-Grad von 100 Prozent eine ganze Rente zu. Darauf überprüft die UVG den Rentenanspruch und erhöht Jan W.s Rente, allerdings nur einem IV-Grad von 55 Prozent entsprechend.
Das Institut für Rechtsberatung der SPV (IRB) fordert im Namen von Jan W. von der Unfallversicherung eine höhere Rente, weil dessen IV-Grad über 55 Prozent liege. Doch die UVG hält am IV-Grad fest und kündigt 2018 eine Rentenkürzung um 20 Prozent an – mit Wirkung ab Juni 2016. Grund: Vergehen gegen das Strassenverkehrsgesetz.
Kantonsgericht stützt die UVG
Das IRB erhebt Einsprache. Die UVG, die 2009 schon über sämtliche Informationen verfügte, gibt nach 20 (!) Monaten bekannt, dass sie die UVG-Rente von Jan W. nicht um 20, sondern nun gar um 50 Prozent kürzen werde. Denn: Der Unfall aus dem Jahr 2009 sei auf ein Wagnis zurückzuführen. Wird dieser Entscheid rechtskräftig, würde das für ihn erhebliche finanzielle Konsequenzen bedeuten. Das IRB zieht den Fall vor das zuständige Kantonsgericht.
Mit der Beschwerde blitzt es aber ab. Jan W. habe grobfahrlässig gehandelt, so das Kantonsgericht im Mai 2021. Die UVG dürfe auf ihre erste Rentenverfügung zurück-kommen und die Rente auch neun Jahre nach dem Unfall noch um 20 Prozent kürzen.
Das Bundesgericht gibt Jan W. Recht
Jan W. gerät unter grossen Druck. Er wehrt sich. Mithilfe des IRB gelangt er an das Bundesgericht und ficht Ende Juni 2021 das Urteil des Kantonsgerichts an. Und tat-sächlich: Er erringt einen Erfolg. Am 1. März 2022 heissen fünf Bundesrichter die Beschwerde von Jan W. gut. Die UVG muss von einer Rentenkürzung absehen und rück-wirkend ab dem 1. Juni 2016 die volle Rente zuzüglich eines Verzugszinses vergüten.
Das ganze Verfahren hat sich über mehr als fünf Jahre erstreckt. Diese lange Zeit war für Jan W. belastend und nervenaufreibend. Aber er hatte den Mut, den eingeschlagenen Weg mit aller Konsequenz zurückzulegen.