Mitar Mitrovic sitzt im Rollstuhl am Esstisch, rührt mit dem Löffel in einer Tasse Kaffee, schaut seine Tochter Sladjana an und sagt: «Ich bin sehr zufrieden.»
Der 73-jährige Pensionär ist zurück in seinem kleinen Reich, das er und seine Frau Vera ihr Eigentum nennen dürfen. Es ist für ihn ein grosser Lichtblick nach schwierigen Monaten, die er in verschiedenen Kliniken verbrachte, zuletzt im Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) in Nottwil. Und klar war: Wenn die Wohnung in Birr AG nicht auf seine Bedürfnisse angepasst wird, muss er umziehen, womöglich in ein Pflegeheim.
Die Geschichte von Mitar Mitrovic ist die eines Mannes aus Bosnien, der 1973 in die Schweiz kommt, als Maurer arbeitet, dreifacher Vater wird und ein Leben ohne grössere Beschwerden führt.
Plötzlich ist er Paraplegiker
Vor zwei Jahren erkrankt Mitar Mitrovic an Corona und hat relativ milde Symptome. Er geht davon aus, bald wieder auf den Beinen zu sein. Aber die Genesung schreitet nicht voran, im Gegenteil, sein Zustand erfordert einen ersten Spitalaufenthalt. Bei Untersuchungen wird ein Lungentumor festgestellt, zudem erleidet er einen Herzinfarkt. Die Diagnose, die bei ihm gestellt wird, schockiert ihn, schockiert die ganze Familie: Mitar Mitrovic ist Paraplegiker und auf einen Rollstuhl angewiesen.
Als er in der Rehabilitation in Nottwil weilt, nimmt er sich zwar vor, dass er das SPZ als Fussgänger verlassen wird. Aber er muss sich damit abfinden, dass er ohne Rollstuhl nicht auskommt. Von einem anderen Patienten wird er darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, sich eingehend mit der Wohnsituation zu befassen und sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob bauliche Anpassungen notwendig seien.
Umbau in zwei Etappen
Mitar Mitrovic diskutiert das Thema mit seiner Ergotherapeutin – und kurz darauf folgen Taten. Das Zentrum für hindernisfreies Bauen (ZHB), die Fachstelle der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung für barrierefreies Wohnen, kümmert sich um die Frage, welche Massnahmen ergriffen werden müssen, damit Mitar Mitrovic nach der Reha wieder in seiner Eigentumswohnung in Birr leben kann. Nach einer ersten Besichtigung im Mai 2023 übernimmt Architekt Felix Schärer die Leitung, der Bereichsleiter des ZHB hat in seiner Karriere schon unzählige Lösungen gefunden.
Der vorliegende Fall bereitet ihm kein Kopfzerbrechen, das Projekt ist für ihn eine Routineangelegenheit, für die er zwei Etappen plant: In einem ersten Schritt soll das Badezimmer ab dem 18. Oktober komplett neu und barrierefrei gemacht werden. Es ist das Kernstück des Projekts und die grösste Baustelle. Der Zugang zum Badezimmer muss verbreitert werden, eine Schiebetür ersetzt die normale Tür. Das Waschbecken wird unterfahrbar und die Dusche für Mitar Mitrovic mit dem Rollstuhl problemlos erreichbar angepasst.
Grünes Licht für Türautomation
Ebenfalls wichtig ist die Türautomation am Haupteingang des Wohnblocks in Birr. Dieser Teil des Umbaus muss zuerst mit den anderen Stockwerkeigentümern und der Verwaltung abgesprochen werden Felix Schärer führt die Gespräche und erhält schliesslich grünes Licht. Einige Zeit später wird die andere bedeutende Anpassung in der Wohnung vorgenommen: eine Verbreiterung der Tür zum Balkon und ein schwellenloser Zugang nach draussen.
Die Fachleute handeln zügig und nehmen so der Familie manche Sorgen, was die Zukunft und Bewegungsfreiheit von Mitar Mitrovic angeht. «Wir befanden uns in einer schwierigen Situation und wären völlig verloren gewesen, was den Umbau angeht», sagt Sladjana Mitrovic, die Tochter von Mitar, «die Unterstützung war sensationell.»
Mitar Mitrovic, der während einer kurzen Bauphase bei seinem Sohn Mile untergekommen ist, zieht am 14. Dezember wieder daheim ein. Während des Umbaus schaute Mitar Mitrovic zwei, drei Mal vorbei und mit kritischem Auge zu, wie die Handwerker vorgingen. «Als ehemaliger Maurer interessierte es mich, wie sie das machen», sagt er und kann sich nur wiederholen: «Ich bin wirklich zufrieden.»
Er, seine Frau Vera und die Kinder sind überaus dankbar für die breite und professionelle Unterstützung. Dazu kommt der finanzielle Support der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, den Sladjana Mitrovic hervorhebt: «Uns allen ist bewusst, wie viel getan wird, um meinem Vater ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.»
(von Peter Birrer, Paracontact 1/2024)